Wunder, frag' ich, gibt es die?
Nein, Wunder, die geschehen nie!
So denkt der Mann, so spricht die Frau,
ganz aufgeklärt und oberschlau.
Nur Wenige - ist das normal? -
erleben Wunder, groß an Zahl.
Heut sehe ich den Farn im Zimmer
in des Morgenlichtes Schimmer,
und sein zartes Filigran
mutet wunderbar mich an.
Üppig wächst der Blätterwedel,
jede Einzelheit ganz edel.
Solche Schönheit, wie banal,
seh’ ich die heut zum ersten Mal?
Da stehe ich im Urlaubsland,
um mich das Meer und endlos Sand.
Die Sonne möchte jetzt entschwinden,
mich der Unendlichkeit verbinden.
Durch dunkle Wolken funkelt Licht
und eine Stimme in mir spricht:
Welche Schönheit, Mensch, stehe doch still,
und überleg, was dir das sagen will.
Das Wasser aus des Berges Quell,
glasklar und sauber, funkelnd hell,
erfrischt mich auf der Wanderschaft,
schenkt neuen Schwung und neue Kraft.
Welche Köstlichkeit, so frisch und pur
aus der Apotheke der Natur!
Staunend lern ich mit Beglücken
und großem Dank nach oben blicken.
Jetzt hab ich Hunger und ich denk,
was ist das doch für ein Geschenk,
zum klaren Wasser hier das Brot,
das schmeckt so gut, 's hat keine Not.
Und Luft zum Atmen, frank und frei,
ist immer noch stets auch dabei.
Ich kann nur wieder staunend sehen,
dass täglich Wunder mir geschehen.
Ich höre zu und kann verstehen,
ich blicke auf und ich kann sehen,
ich kann weinen, tanzen, lachen,
und ganz verrückte Sachen machen,
und schließlich steh ich auch vor dir
und plötzlich öffnet sich die Tür:
Ja, zwei Herzen sich verbinden,
weil sie zueinander finden.
Ich kann die Hand dem Nächsten geben,
meine Stimme mal erheben,
sitzen, stehen, liegen, laufen,
mir unnötig Sachen kaufen,
mich freuen, wenn der Regen prasselt
und der Enkel endlos quasselt.
Das alles ist mir nicht banal,
denn das sind Wunder - ohne Zahl!
Ja, voll Wunder ist die Welt,
eine Welt, die aus den Angeln fällt.
Die Frag' ist nur, ob unsre Augen
noch zum Wundersehen taugen.
Drum blick auch du mit wachem Sinn
doch heut einmal genauer hin.
Dann wirst du es wie ich erleben,
denn es wird Wunder Gottes geben.
© Martin Volpert, 2001
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